HDH 215 (Heidenheim 2009) Fotografie und Animation, 3 Motive à 30x45 cm
"Heidenheim – hier bin ich aufgewachsen und hierhin kehre ich regelmäßig zurück, doch was verbinde ich heute noch mit der Stadt, aus der ich komme?
Die wundervolle Landschaft der Ostalb sowie das Stadtbild, geprägt von eindrucksvollen alten Gebäuden, die die besten Eigenschaften des Industriezeitalters verkörperten und das historische Schloß, schwebend über den Dächern. Diese Erinnerungen werden heute bedrängt von den elenden Dutzendbauten, die die Fachwerkarchitektur vertilgt haben, von der Parkraumbewirtschaftung, den Parkzonen, Parkplätzen, Parkhäusern und Parkleitsystemen und den eintönigen Einkaufspassagen und Kongreßzentren, die es überall gibt und auch immer gleich aussehen. Doch etwas ist in der Innenstadt ganz besonders und unverwechselbar geblieben: die sich immer wieder verblüffend ändernde Verkehrsführung.
Wenn ich so in die Stadt führe wie vor zwanzig Jahren, als ich hier meinen Führerschein machte, dann hätte ich innerhalb von zwanzig Sekunden keinen mehr. Links ist das neue rechts, Geradeaus heißt jetzt Kehre und alle paar Monate wieder anders.
Meine persönliche Lieblingskreuzung befindet sich an der Schnaitheimer Straße, in Höhe des alten Zollamtes. Die ursprüngliche Ampelanlage wurde eines Tages durch einen Kreisverkehr ersetzt, wodurch sich meiner Erinnerung nach hier einige Unfälle ereigneten. Ob die später dort abgestellte Turbinenschaufel der Firma Voith, die eine Ästhetik des technischen Fortschritts beschwor, daran etwas änderte, konnte ich nie erfahren. Plötzlich wurde das Objekt mitsamt dem Kreisverkehr wieder entfernt und durch einen undurchforstbaren Schilder- und Ampelwald ersetzt. In welche Richtung die Einbahnstraßen gerade auch weisen (die zum Zeitpunkt der Niederschrift momentan keine sind) bietet immer wieder eine Überraschung.“
In einem Land, in dem der Airbag verpönt ist, weil seine lebensrettende Aufgabe als gotteslästerlich angesehen wird, möchte der Besucher den Verkehrsmitteln nicht so trauen wie anderswo. Auch wenn sie festgelegte Strecken befahren, doppelt und dreifach gegen Fehlfunktionen und technisches Versagen gesichert und die Distanzen eher kurz sind – hier ist das Liftfahren noch ein Abenteuer.
Einen Aufzug zu betreten heißt, alle Bedenken herunterzuschlucken, nicht an die Taxen zu denken mit den Sicherheitsgurten ohne Schnappschloß und den Türen ohne Griff, sondern nur an das Ziel.
Bevor der Fahrstuhl knirschend eintrifft, um dann noch einen Moment auszupendeln, läßt sich schon ein banger Blick in den dusteren Schacht werfen, aus dem ein modrig kühler Hauch an das Jenseits gemahnt. Die Kabinentür springt auf und schließt sich wieder, wenn es denn eine gibt, die unverputzten Wände rutschen vorbei, das Licht flackert und die Seile quietschen. Vielleicht wollte der Mechaniker bei seiner letzen Inspektion seinen Schöpfer nicht versuchen und hat stattdessen ein Nickerchen gemacht - wer weiß? Bald ist das rettende Stockwerk erreicht und der feste Boden gibt noch mehr Halt als zuvor.
Die Gleichgültigkeit, mit der die dicht befahrenen vielspurigen Straße überquert werden, die neuen Gasflaschen mit einem Streichholz auf Lecks geprüft werden, Steckdosen mit blankem Draht angezapft werden, verwirrt den Fremden und die unmittelbare Nähe zur Gefahr erinnert ihn an die Zweifel, die er dem Allmächtigen entgegen bringt.
menschen auf der straße, die den öffentlichen raum umwidmen in einen spirituellen und ihren körper eingliedern in den organismus ihrer gemeinde um für alle sichtbar der umwelt zuteilen, daß sie ihre individualität aufgeben. darum sind sie als einzelne beter dargestellt, die ihre autonomie aus eigenem ermessen aufgeben.
Zunehmend werden die gepflegten Frisuren der Ägypterinnen von einem oder mehreren Schleier verborgen. Noch nicht einmal durch die Fensterscheibe der Damensalons lässt sich erahnen, was darin vorgeht. Der Frisör ist der einzige fremde Mann, der weiß, welche Haarfarben die Damen privat tragen.
Wir wissen allerdings über die bunte Palette seiner Handtücher Bescheid.
Der Stuhl am Straßenrand, in der Parklücke, auf dem Bürgersteig, prägt den Eindruck der Innenstadt Kairos. Bei den unzähligen Problemen des Alltags bleibt Aussitzen anscheinend die einfachste Lösung. Wie bequem es sich jedoch auf den Behelfsmöbeln sitzen läßt, bleibt dem Gestaltungsvermögen des Benutzers überlassen.
Der Kapitalismus präsentiert sich in seiner reinsten Form nicht nur auf dem Börsenparkett, sondern ganz unmittelbar auch in jedem Supermarktregal. Hier konkurrieren die ausgestellten Produkte um Aufmerksamkeit, um an der Kasse ins Freie zu gelangen. Die Dinge des täglichen Bedarfs, die um einen Platz im Einkaufswagen buhlen, betrachtet der gehetzte Konsument nur flüchtig und erinnert die Markennamen nur bruchstückhaft. Eine Kultur, die mit der Marktwirtschaft noch nicht recht vertraut ist, weiß die feinen Merkmale, ein Original zu erkennen, gar nicht zu deuten, und braucht sie auch überhaupt nicht: Hier sind die lateinischen Buchstaben ein Ausweis der Echtheit, die Farben und Formen übertreffen die ursprünglichen Produkte dabei noch. Am Ende läßt sich auch die ungeschlachte Natur noch verbessern.
Selbst habe ich ihn nie gesehen, wie wohl die meisten der Ägypter. Er sie aber auch nicht, denn die Straßen werden jedes Mal geräumt und abgesperrt, wenn er von A nach B muss. Der einzige Ägypter, der die Illusion hat, in Kairo gäbe es kein Verkehrschaos: der Präsident Hosni Mubarak. Doch damit niemand den Nachfolger der einst so mächtigen Pharaonen vergisst oder übersieht, sind an vielen Kreuzungen, Hauswänden und weiteren markanten Plätzen übergroße Portraits angebracht. Sie lassen sich in wenige Kategorien einteilen (am Schreibtisch, stehend salopp, stehend als Schuljunge, cool mit Sonnenbrille und das amtliche Portrait) und erwecken stets den Eindruck eines ewig jung gebliebenen Staatschefs.
In Ecken sammelt sich der Staub, der Überrest des Alltags. Die vernachlässigten Grenzen/Kanten des Raumes bleiben nicht nur unbeachtet, sondern werden deshalb auch angefüllt mit dem Unrat der Zivilisation. Die Dinge, die aus den Erfordernissen des täglichen Lebens heraus zwar notwendig, aber doch nur leidlich akzeptiert sind, lassen sich hier abstellen: aus dem Weg, aus dem Blick, aber griffbereit. Elke Reinhuber hat die ungeliebte Ecke mit besonderer Anteilnahme beobachtet und gleich selbst bezogen.
Der Blick versperrt: nach oben, zur Seite oder gar nach vorn – so sieht es aus, wenn im Stadtraum umdekoriert wird und alte Bausünden von neuen verdrängt werden. Der Flaneur muss nicht die Straßenseite wechseln, um an einen anderen Ort katapultiert zu werden, die verhängten Perspektiven auf die vertraute Umgebung genügen schon.
'Hexenprofil' dachte ich oft, beim Blick in den Spiegel, oder wenn mein Schatten an mir vorbeihuscht. Die kosmetische Chirurgie verspricht Abhilfe. Doch werden wir deshalb glücklicher, besser, schöner, liebenswerter? Erst die Nase, dann das Kinn, noch etwas mehr, zu wenig Ausdruck, maskenhaft und starr, mehr Individualität, vielleicht war der Ausgangspunkt doch der beste...
Der Blick in den Spiegel porträtiert uns nicht unbedingt so, wie wir uns selbst sehen. Das muss aber nicht länger so bleiben. Denn auch wenn die Schönheit im Auge des Betrachters entsteht, für den Schönheitschirurgen ist sie ein Faktum.
Die Wikinger konnten nicht nur kräftig austeilen, sondern auch einstecken. Mit ihren gehörnten Helmen und mächtigen Schildern wussten sie sich gegen ihre Feinde zu verteidigen. Die Vorliebe für runde Schutzmaßnahmen haben sich ihre Nachfahren bewahrt: im Kampf gegen Schlaglöcher, Pfützen und freilaufende Tiere versuchen sie sich mit der Größe ihrer Reifen gegenseitig zu übertreffen. Bezogen auf ihre Beanspruchung im rauen Alltag ist es eher selten, an einem Fahrzeug langfristig vier gleiche Reifen vorzufinden. Serie mit 101 Fotografien moderner Schutzschilder
Island erscheint dem Besucher als ein seltsames, geheimnisvolles Ziel. Vielleicht weil es sich um den Rand der bewohnten Welt handelt, wird es als selbstverständlicher Teil des täglichen Lebens akzeptiert, dass hier Wesen aus einem Zwischenreich leben: auch die Elfen. Sie haben sich den Zeitläuften angepasst und verrichten ihre Werke jetzt im Supermarkt. Wie überall stehen in den langen Regalen viele Produkte – und immer wieder fallen die Waren in die vorbeirollenden Einkaufswagen oder einfach auf den Boden.
Warum die winzigen Geister sich diese Mühe machen, unter anderem bei 10-11, Hagkaup, Bónus, Noatun, oder auch 11/12 ungebeten beim Einkauf zu helfen, bleibt ungeklärt, da stets nur die Folgen ihres Tuns zu beobachten sind.
In Island, soviel ist bekannt, soll es Trolle geben, jene ungehobelten Wesen, die allerhand Schabernack aushecken. Wenn sie im Dunkeln ihr Unwesen treiben, ist es fast unmöglich, sie zu Gesicht zu bekommen. Aber des Tags stehen sie starr an so mancher Straßenecke und sehen aus wie Hydranten. Vermutlich sind sie vom Trollkönig für Zündeleien und andere Streiche bestraft worden, und müssen nun für ihre Scherze zu büßen.Serie mit 101 isländischen Trollen
Unter der ebenen Erde existieren Orte und Gestalten, von denen an der Oberfläche kaum etwas zu ahnen ist. Die Welt jener Existenzen ist vergittert, so dass sie das Tageslicht nicht kennen und nur selten mehr als ein Fitzelchen der Welt da draußen zu fassen bekommen. Bodeninstallation aus 8 Fotografien auf lackierten Holzkästen à 20x30 cm.
Die alten Römer waren die USA ihrer Tage. Mit ihren vier Buchstaben markierten sie auf dem Weltkreis allerlei Punkte. Bis heute hat sich ihr legendärer Ruf gehalten, denn schließlich haben sie damals auch das Fließendwasser erfunden. Heute kündet noch jeder römische Gullydeckel aufs neue davon. Sonst ist vom einstigen Weltreich aber nicht mehr viel geblieben.
Wasser tropft. Wasser tropft aus einem Schlauchbeutel über der Pumpanlage in der Mitte des kreisrunden Raumes. Durch Mikrofone und den Halleffekt im leeren Wasserturm verstärkt sich das zarte Geräusch bis zu einer Lautstärke, die Folgen hat. Gegenüber des Eingangs werden Schilder, die im Stadtbild auf Wasserleitungen verweisen, im Vielfachen ihrer Größe projiziert, immer im Takt des fallenden Wassertropfens. Die Bildfolge ist absteigend sortiert, so angelegt, dass das letzte Bild erst zum Ende der Ausstellung gezeigt wird. An der Wand ringsherum sind alle Bilder maßstabgetreu und in ortsbezogener Reihung aufgehängt. Der in Metern angegebene Hinweis auf die Wasserleitung wird durch Wassereimer auf dem Boden erfahrbar gemacht.
Modulare Wand-/Tisch-/Bodeninstallation zur variablen Anordnung. Pigment auf Leinwand in den Farben Salatgrün, Tomatenrot, Karottenorange, Petersiliegrün, Olivgrün und Zwiebelgelb.
Einwegverpackungen haben nur ein Ziel: sie wollen nicht zurück. Darum sind auf italienischen Plastikflaschen und Aludosen diverse Disziplinen dargestellt, mit denen sich das verhindern lässt. 40 Bilder à 15x15 cm, Animationsfilm 4:40 Minuten.
Der Abort ist ein Unort. Die Öffentliche Toilette hat keinen Platz in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Wer hierher kommt, der muss, und geht, ohne sich umzudrehen. Dabei lässt sich hier sehr anschaulich erfahren, wie wir mit unseresgleichen umgehen. Fotocollage aus 112 Einzelbildern, 130x130 cm
Immer wieder verbringen
wir Pausen an den gleichen
Orten – oder wir legen
Pausen ein, um diese Orte
aufzusuchen …
Bilder der Beschleunigung, auf denen die Geschwindigkeitsdifferenz von Belichtungszeit und Ortsbezogenheit nur noch die Bewegung selbst erkennen lässt. Auf einem Monitor in Augenhöhe ist die Perspektive der Fortbewegung nachzuvollziehen. Die Aufnahmen lassen sich bis zum realen bewegten Bild abbremsen, indem sich der Betrachter selbst der Beschleunigung aussetzt. Die digitalen Videosequenzen werden über ein benutzbares Laufband gesteuert und führen herkömmliche Erwartungen in die Irre.
Ein binärer Code, dargestellt aus Lebensmittelpaaren: Lauch – Fenchel, Tortelloni – Rigatoni, Salami – Schinken, Mars – Toffifee, Tomaten – Gurken, Bonbons – Zuckerstangen, Brötchen – Baguette, Bananen – Zitronen.Acht Bilder im Format 18x18 cm gehören zu dieser Serie
Eine Datenbank mit rot-weiß-blauen Lebensmitteln umfasst 256 Posten. Zu einzelnen Datenblättern gibt es ein Quartettspiel.
Als Baby entführt, in einer Versuchanstalt sieben mal geklont und in verschiedensten Milieus aufgezogen. 30 Jahre später begegnete ich meinen Ebenbildern…Laura Glaser, Rebecca Lange, Gabi Tetschke, Eleonore Ludwig, Lydia Leandros, Ursula Weber
Ein Memoryspiel aus Fotografien, die am 20.06.2000 in der heimischen Küche aufgenommen wurden und dabei manches historische Stück an den Tag brachte.Ein Legespiel mit 2x35 Foto-Karten der Größe 4x4 cm.
Sich selbst einlagern? In einem Schrank? In einem Kühlschrank, um sich möglichst lange frisch zu erhalten?_Die Bilder dieser Selbstportraitserie sind eine Auseinandersetzung mit dem Begriff "Selfstorage".
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